Sportpsychologie meets Unterwasser-Rugby (UWR) meets Flossenschwimmen

Am vergangenen Sonntag durfte ich erneut die Sportpsychologie und das mentale Training "ins Wasser tragen". Dort fanden sich in den Unterwasser-Rugby-Spielerinnen und -Spielern und den Flossenschwimmerinnen und Flossenschwimmern wieder sehr interessierte Abnehmer :-)!

Der Tag startete zunächst mit einem Workshop, der allerlei Theoretisches, aber auch viele praktische Übungen enthielt. Die Kunst bestand an diesem Tag darin, sowohl die UWRs, die zum Teil schon zwei Module Sportpsychologie "verpasst" bekommen haben, als auch die Flossenschwimmer/innen, die an diesem Tag das erste Mal dabei waren, Mannschafts- und Einzelsportler/innen, gleichermaßen mit neuen Infos und neuen Übungen zu versorgen.

Thematisch ging es dieses Mal um die Bereiche "Zielsetzung und Motivation", "Konzentration und Aufmerksamkeit" sowie "Selbstregulation" und "Regulation durch Team und Coach".

Den Anfang machte zunächst ein Überblick über die Begriffe und Inhalte der Sportpsychologie und des mentalen Trainings, um zu klären, was man eigentlich alles trainieren kann, wenn man will. Da war es nur logisch, dass wir uns auch gleich im Anschluss darum kümmerten, wie man es anstellt, Zeit für das mentale Training zu finden. Wo nur? Man hat doch eigentlich keine Zeit?!

Zu Demonstrationszwecken gab es zum Thema "keine Zeit" die folgende (ein wenig provokante) Aufstellung:

 

24 x 7 = 168 Stunden (in der Woche)

- 56 Stunden Schlaf (bei 8 Stunden Schlaf pro Nacht)

- 40 Stunden Arbeit (Vollzeit)

= 72 Stunden (so viel?)

 

Und wo bleibt die Familie?

O.k.!

 

- 40 Stunden (für die Familie)

= 32 Stunden (immer noch so viel?)

 

Egal, ob man tatsächlich 50 oder 60 Stunden arbeitet, doch mehr Zeit mit der Familie verbringt oder Zeit für sich selbst "abzwackt", es wird deutlich, dass es eigentlich nicht darum geht, dass man keine Zeit hat, sondern dass man seine Prioritäten eventuell anders setzt. Es ist natürlich völlig in Ordnung und verständlich, wenn das mentale Training nicht im Vordergrund steht, aber die gute Nachricht ist: wenn man möchte, hat man die Zeit. Der Punkt ist, dass man sie sich nimmt und nicht versucht, sie zu finden. Und dabei reichen bereits 2 x 30 Minuten in der Woche - alles ist besser als nichts! Und: das Training sollte regelmäßig stattfinden, damit es effektiv ist. Am besten, man überlegt sich zum Ende der Woche bereits, wann Zeit für das mentale Training eingeplant werden kann (s. zur Inspiration: "How to gain control of your free time").

Aber zurück zum Workshop. Im Bereich "Zielsetzung und Motivation" ging es um die verschiedenen Zielarten und ihre Wirkungen sowie um das SMARTe Setzen von Zielen. Dies sollten die Sportler/innen dann auch gleich anhand dreier aufeinander aufbauender Übungen praktisch umsetzen. Unter Zuhilfenahme eines kleinen Perspektivenwechsels ("Du hattest ein sportlich perfektes Jahr 2017! An Silvester blickst du zurück: Was hat dein Jahr so perfekt gemacht? Welche Ziele hast du erreicht?") sollten die Teilnehmer/innen zunächst versuchen, sich ihre Ziele für das Sportjahr 2017 zu setzen und dabei darauf achten, dass die Ziele nach der SMART-Regel formuliert werden. In einem zweiten Schritt bestand die Aufgabe darin, die formulierten Ziele in Ergebnis-, Leistungs- und Handlungsziele einzuteilen. Hierbei fiel auf, dass es leichter fällt, Ergebnisziele zu finden, als konkrete Handlungsziele zu formulieren. In einer letzte Übung sollten sich die Sportler/innen dann ihre eigene "Bergtour" gestalten. Hier ging es darum, einen Berg zu zeichnen und die bereits formulierten Ziele als Etappen einer Bergtour zu sehen: Welche Fähigkeiten und Fertigkeiten bringt man bereits mit ins "Basislager" am Fuß des Berges? Welche Fähigkeiten und Fertigkeiten gilt es für die Erreichung der Ziele noch zu entwickeln? Was ist das große Ziel am Gipfel und welche kurz- und mittelfristigen Ziele sind zu definieren? Die Bergtour zeigt das große Ganze und dazu noch alle Details, die man für die Erreichung seiner Ziele benötigt. Man kann als Mannschaft und als Einzelsportler/in gut dauerhaft damit arbeiten, sich das Bild immer wieder vor Augen führen oder es aufhängen, sich über das Erreichen einzelner Ziele freuen und das nächste Ziel ins Visier nehmen. Die "Bergtour" kann somit ein effektives Werkzeug im Setzen und Erreichen von Zielen sein.

Der Bereich "Konzentration und Aufmerksamkeit" wurde eingeleitet durch einen "Konzentrations-Selbsttest", in dem die Spieler/innen situativ beurteilen sollten, wie gut sie sich konzentrieren können. Dieser Test sollte nur einen kleinen Einblick geben, wo im Bereich der Konzentration noch individueller Entwicklungsbedarf besteht. Als nächstes folgte dann der klassische "selektive Aufmerksamkeitstest" (Simon & Chabris, 1999), der den Teilnehmer/innen Lachen und Kopfschütteln entlockte und aufzeigte, wie es um ihre Aufmerksamkeit bestellt ist - immer wieder schön zu sehen (oder eben nicht ;-))! Die beiden einführenden Tests haben wir dann zum Anlass genommen, über das Ausrichten der Konzentration und über Konzentrationsfoki zu sprechen: innen oder außen, weit oder eng (Nideffer, 1981). Eine Übung, welche Fokus und Routine verbindet, ist der sogenannte "Konzentrationskreis". Man baut ihn auf, um störende Einflüsse abzuschirmen und seine Konzentration in einer bestimmten Situation optimal auszurichten. Hierfür begibt sich die Sportlerin/ der Sportler unter Entspannung an einen bestimmten Punkt, an dem die Konzentration besonders gefragt ist (z.B. Startblock) und kreiert einen Kreis oder Scheinwerferkegel mit bestimmten Eigenschaften (Farbe, Licht, Klang/ Musik). Diesen Kreis soll die Sportlerin/ der Sportler in einer Visualisierung eines Wettkampfs nun bewusst betreten, um alle störenden Einflüsse abzuschirmen. Diese Visualisierung kann auch als Teil der eigenen Wettkampfroutine genutzt werden. Um dieser Wettkampfroutine widmeten wir uns im Anschluss. Die Aufgabe bestand darin, sich zu überlegen, welche (Start-) Routine man eigentlich vor dem oder im Wettkampf nutzt, um optimal in die Leistungssituation zu gelangen. Wer noch keine Routine hatte, sollte sich Gedanken darüber machen, wie eine sinnvolle individuelle Routine aussehen könnte und diejenigen, die schon über Routinen verfügen, sollten sich diese noch einmal bewusst machen, um sie bewusst zur Konzentration einsetzen zu können.

Und dann ging es noch um die Themen "Selbstregulation" und "Regulation durch Team und Coach". Im Bereich der Selbstregulation widmeten wir uns der Verarbeitung von Erfolg und Misserfolg, dem Abhaken von Fehlern, der Erstellung von Wettkampfplänen sowie der Arbeit an Einstellung und Selbstvertrauen. Im Bereich der Regulation durften natürlich Entspannungsübungen nicht fehlen, die auch das Entspannen "auf die Schnelle" beinhalteten, welches man im Wettkampf gut nutzen kann. Weiterhin wurden individuelle "Powerbilder" visualisiert, die später in der Wasserzeit während des "Standing Tests" noch eine Rolle spielen sollten. Im Rahmen der Regulation wurde ebenfalls thematisiert, auf welche Weise sowohl die Teamdynamik als auch der Coach Einfluss auf individuelle Regulationsprozesse nehmen können.


Den Abschluss meines Einsatzes an diesem Tag bildete - wie schon im Modul 1 des mentalen Trainings im UWR - der sogenannte "Standing Test". Nach dem Aufwärmen bzw. Einschwimmen sollten die UWRs und die Flossenschwimmer/innen einen sogenannten "Standing-Test" schwimmen. Die Aufgabe bestand darin, 12 Bahnen so schnell wie möglich tauchend zu absolvieren, wobei die Teilnehmer/innen am jeweiligen Ende der Bahn Luft holen durften. Dabei wurde für alle teilnehmenden Personen die Zeit genommen. Was der Großteil der Teilnehmerinnen und Teilnehmer nicht wussten, war, dass sie diesen Test nach einer kleinen sportpsychologischen Intervention meinerseits noch einmal schwimmen sollten.

Nachdem die Teilnehmer/innen also den "Standing-Test" absolviert hatten und alle ihre Zeiten kannten, habe ich mit allen eine Atementspannungs- und Visualisierungsübung durchgeführt, in der der Test noch einmal mental "durchgespielt" wurde. Im Anschluss sollte jede/r eine individuelle Zielzeit aufschreiben, bevor der Test ein zweites Mal absolviert wurde.  

Wie schon im Modul 1 war es schön zu sehen, dass der Großteil der Sportler/innen ihre Zeit aus dem ersten Test verbessern konnten. Dies ist natürlich zum einen der Tatsache geschuldet, dass man den Test bereits kannte und die Atmung nun besser anpassen konnte. Zum anderen berichteten die Sportler/innen aber auch, dass sie das Gefühl hatten, dass ihnen das mentale Training - die Entspannung zwischendurch, das Visualisieren der Tests und das Einsetzen des Powerbildes - bei der Übung geholfen habe.

Mein Fazit des Tages fällt sehr positiv aus! Ich durfte mich mit zwei spannenden Sportarten beschäftigen und tolle Menschen kennenlernen. Der Workshop und die Übungen haben zeitlich sehr gut gepasst, die Sportler/innen waren offen für Neues und haben super mitgemacht!

Ich möchte an dieser Stelle allen Beteiligten, vor allem den Trainern Thorsten Grimm (UWR) und Rolf Blechschmidt (Finswimming) sowie dem UWR-Spartenleiter Claas Brüning, für ihr Vertrauen und die tolle Zusammenarbeit danken! Vielleicht sieht man sich ja mal wieder!


Weiterführende Links zum Flossenschwimmen

Weiterführende Links zum Unterwasser-Rugby


Literatur

Engbert, K. Droste, A., Werts, T. Zier, E. (2011). Mentales Training im Leistungssport. Ein Übungsbuch für den Schüler- und Jugendbereich. Stuttgart: Neuer Sportverlag.

Nideffer, R. M. (1981). The ethics and practice of applied sport psychology. Michigan: Movement Publications.

Simons, D. J. & Chabris, C. F. (1999). Gorillas in our midst: sustained inanttentional blindness for dynamic events. Perception (28), pp. 1059-1074.