"The mental game of Baseball" - Sportpsychologisches Training bei den Kiel Seahawks

Eines ist mal klar: Baseball ist eine Sportart, für die "das Mentale" eine große Rolle spielt. Natürlich funktioniert auch Baseball nicht ohne körperliche Fitness und Technik, aber die Sportart bringt gewisse Herausforderungen mit sich, die auch das mentale Training nötig machen bzw. welchen man durch mentale Fitness besser begegnen kann. Eine dieser Herausforderungen sind die langen Spieltage, für die eine enorme Konzentration aufgebracht werden muss. Des Weiteren gibt es die besondere Situation "am Schlag", in der man allein gefordert ist und im direkten Duell gegen den Pitcher antritt. Es gibt also Einzelsportler-Momente in diesem Mannschaftssport, in denen man Druck spürt und in denen es gut ist, wenn man sich selbst regulieren kann. Dabei spielen unter anderem Routinen eine Rolle, aber auch Handlungsziele, die einem helfen, "im Moment" zu bleiben.

So lässt sich das sportpsychologische Programm, dem sich die Seahawks widmen wollten, bereits gut umreißen. Es sollte um Konzentration und Aufmerksamkeit, Selbstregulation, Spielvorbereitung und Routinen sowie um Zielsetzung und Motivation gehen. Eingeleitet wurde die Folge einstündiger praktischer Übungen zu diesen Themen durch einen Vortrag, in dem ich den sehr interessierten Zuhörern zunächst einen Überblick über die Sportpsychologie und das mentale Training gab. In den anschließenden 4 Wochen haben wir uns dann jede Woche um eines der genannten Themen gekümmert.

So kam es, dass sich nun jeden Samstag Morgen um 9 Uhr eine stetig wachsende Zahl Seahawks in der Sporthalle der Johanna-Mestorf-Schule einfand, um sich an die Verbesserung ihres mentalen Spiels zu machen. Und dies taten sie - zu Beginn vielleicht noch mit ein wenig Skepsis - mit stetig wachsendem Interesse und trotz der frühen Uhrzeit mit viel Eifer! 

Unabhängig von dem jeweils anstehenden Thema waren Entspannungsübungen ein elementarer Bestandteil des Trainings. Mir war es wichtig, dass die Spieler verschiedene Entspannungsmöglichkeiten kennenlernen, um herauszufinden, welche Übung die richtige für sie ist. Dabei war von „naiver“ Atementspannung, über Gedankenreisen und progressiver Muskelentspannung bis hin zum autogenen Training alles dabei. Mit der Entspannungsübung begannen wir jeden Termin, damit die Spieler zunächst einmal zu sich kommen und sich auf das anstehende Training konzentrieren konnten. Es folgte die Besprechung der „Hausaufgaben“ und die mentalen Übungen des jeweiligen Termins. 




Den Abschluss der Termine bildete meist eine aktive, an Life Kinetik angelehnte Übung, welche die Spieler auch in ihr normales Baseballtraining einbinden konnten. Darüber hinaus gab es jede Woche einen „mentalen Trainingsplan“ mit Übungen zur Vertiefung der praktischen Einheiten.

Wie sah das mentale Training nun konkret aus?

In der ersten mentalen Trainingseinheit lernten die Spieler, wie sie bewusste Atmung, Selbstgespräche  und gezielte Signalwörter einsetzen können, um sich zu konzentrieren und ihre Aufmerksamkeit zu lenken. Um dies zu üben, wurden die Spieler zunächst unter körperliche Belastung gesetzt und mussten dann eine feinmotorische Aufgabe, nämlich das Einfädeln eines Fadens, lösen. Ich bin froh, dass nach dieser doch sehr speziellen Übung niemand die Halle verlassen hat ;-)! Natürlich ging es danach auch noch um konkrete Spielsituationen, in denen diese Fähigkeiten wichtig sind.


Am zweiten Termin vertieften wir das Thema „Selbstregulation“: neben der Erarbeitung eines Ruhebildes widmeten wir uns den Punkten, die die Spieler persönlich immer wieder ablenken und erarbeiteten mit der Stop-to-go-Technik individuelle Wege, sich dieser Ablenkung bewusst zu werden, die Gedanken daran zu stoppen und die Konzentration neu auszurichten.

Der dritte Termin baute darauf auf, indem wir Routinen und die Spielvorbereitung in den Blick nahmen. Die Spieler sollten sich bewusst machen, welche Routinen sie bereits nutzen bzw. ob ihnen noch Routinen fehlen. Im Fokus standen Routinen rund um das „at bat“, aber auch die allgemeine Vorbereitung auf den Spieltag: vom Packen der Tasche bis hin zur Gestaltung von kurzen Ruhephasen während des Spiels waren sehr verschiedene Aspekte dabei.

Den Abschluss am vorerst letzten Termin bildete das Setzen von Zielen für die ab Mai anstehende neue Saison. Hier sollten sich die Spieler vorstellen, dass der letzte Spieltag der Saison 2017 vorüber ist und sie bei einem Bier auf ihre persönlich erfolgreichste Saison aller Zeiten zurückblicken. Vor dem Hintergrund dieses Bildes sollten sie sich überlegen, was die Saison für sie so erfolgreich gemacht hat, was sie persönlich besonders gut gemacht haben und welche Fähigkeiten und Fertigkeiten sie dabei gezeigt haben. Dementsprechend sollten sie Ergebnis-, Leistungs- und Handlungsziele für die anstehende Saison setzen.

Und damit waren die vier mentalen Trainingseinheiten auch schon vorbei.


Das für mich interessante und sehr erfreuliche an der Arbeit mit den Seahawks war die Offenheit, mit der die Spieler an die Übungen herangegangen sind. Und das, obwohl die meisten von ihnen noch nie mental trainiert hatten! Nach und nach wurde die Samstagmorgen-Runde immer mitteilsamer. Die Spieler tauschten sich über ihre Gedanken und Strategien aus und waren so manches Mal erstaunt, doch noch neue Seiten an ihren Mitspielern zu entdecken. Dieser „Nebeneffekt“, auf den ich als Sportpsychologin natürlich immer hoffe, den ich aber nur bedingt beeinflussen kann, hat sich relativ schnell eingestellt, was sehr für das Team spricht. Das Schöne daran war, dass die Spieler diesen Austausch auch selbst als wertvoll und förderlich wahrgenommen haben und ihn auch weiterhin pflegen wollen. Dazu muss man sagen, dass es im sportpsychologischen Training mit Mannschaften unabdingbar ist, dass der Trainer die sportpsychologische Arbeit unterstützt: Headcoach Tobias Krause war von Beginn an für das sportpsychologische Training offen und begleitet es kooperativ und konstruktiv. Auf diese Weise haben sich die Seahawks in relativ kurzer Zeit ein gutes Fundament für die weitere Arbeit an mentalen Aspekten des Spiels geschaffen.

In diesem Sinne möchte ich mich so weit schon einmal bei allen Beteiligten für die sehr gute Zusammenarbeit bedanken, die für mich spannend und wie immer auch lehrreich war. Es macht einfach unheimlich viel Spaß, in „meinem“ Sport aktiv zu sein! 


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